KZ-Außenlager Guntramsdorf / Wiener Neudorf

Gründung des Konzentrationslagers

Das Außenlager Wiener Neudorf wurde am 2. August 1943 gegründet und auf einem Gelände errichtet, wo schon seit 1941 Bau‐ und Zwangsarbeitslager der Flugmotorenwerke Ostmark bestanden. Es umfasste 22 Wohnbaracken, zwei Krankenbaracken, sechs Waschräume, WC‐ Baracken, Lagerschreibstube, Küche und Werkstätte. Es war mit Stacheldraht und einem elektrisch geladenen Zaun umgeben und durch Wachtürme bewacht. Das gesamte Lager bestand aus etwa 80 Holzbaracken (inkl. Fremd- bzw. Zwangsarbeiterlager), davon 34 Gebäude im eigentlichen KZ-Gelände.

Lokalisierung

Das ca. zwei Hektar große Außenlager befand sich großteils auf dem heutigen Gemeindegebiet von Guntramsdorf. Nördlich davon lag das SS‐Lager. Es bestand aus insgesamt sechs Baracken und hatte eine Fläche von rund 14.000 Quadratmetern. Nach einer Bombardierung im Mai 1944 wurde das Außenlager vom ursprünglichen Standort in der Gemeinde Guntramsdorf nach Westen in die Gemeinde Wiener Neudorf verlegt. Beide Gemeinden gehörten in der NS‐Zeit zur Gemeinde Groß‐Wien. Das so genannte „Neue Lager Wiener Neudorf“ lag östlich von Mödling, auf einem Gelände südlich der Shopping City Süd (SCS) und nördlich des Ortszentrums von Wiener Neudorf, „Mitterfeld“ genannt. Das Gelände des ehemaligen „Neuen Lagers“ ist heute Brachland.

Informationen über die Häftlinge

Am 2. August 1943 traf der erste Transport mit 203 Häftlingen aus Mauthausen zum Aufbau des Außenlagers in Wiener Neudorf ein. Zwischen 1943 und 1945 wurden bis zu 3.170 Häftlinge (Höchststand Sept. 1944) aus dem KZ Mauthausen für Arbeiten in den Flugmotorenwerken, den Firmen Steyr‐Daimler‐Puch AG, Rella & Co., Hofman und Maculan, Himmelstoß und Sittner, Ing. Czernilowski und Saurerwerke Zehethofer sowie in kleineren Betrieben und der Landwirtschaft in den Gemeinden Inzersdorf, Himberg, Schwechat, Guntramsdorf, Laxenburg, Fischamend und Wien eingesetzt. Die größeren Häftlingsgruppen kamen aus der Sowjetunion, Polen und Deutschland.

Zwangsarbeit

Es wurden vor allem Häftlinge, die über Erfahrung in der Metallverarbeitung und mit Bauarbeiten besaßen, aus dem KZ Mauthausen angefordert. Die Häftlinge wurden in allen Bereichen eingesetzt; im Zuge alliierter Luftangriffe auch zum Bau eines Bunkers für das Werk. Insgesamt wurden von den Flugmotorenwerken Ostmark, dem kostspieligsten Rüstungsprojekt der NS‐Zeit, nur ca. 3.000 Motoren gefertigt. Die Flugmotorenwerke wurden nach dem Krieg von Wirtschaftswissenschaftlern als die größte Fehlinvestition der deutschen Kriegswirtschaft bezeichnet. Sie hatten eine Investitionssumme von 350.000.000,‐ Reichsmark verschlungen. Ab Mai 1944 wurde das Flugmotorenwerk von den Alliierten mehrmals bombardiert. Auch das KZ an der heutigen Guntramsdorfer Industriestraße wurde bei den Bombenangriffen durch insgesamt 14 Bomben getroffen und stark beschädigt. Die US‐Bombenangriffe, die eigentlich den Produktionsanlagen des Werks galten, forderten so auch 31 Opfer des Außenlagers. Unter anderem wurde die Krankenstation des Außenlagers direkt getroffen. Danach wurde das KZ von Guntramsdorf ins benachbarte Wiener Neudorf verlegt.

Bewachung

Das Bewachungspersonal setzte sich bis Anfang April 1944 aus der 2. Kompanie des SS‐Wachsturmbannes Mauthausen zusammen. Der Kommandoführer war SS‐Obersturmführer Kurt Schmutzler, Rapportführer war SS‐Unterscharführer Rudolf Lamm. Ab April 1944 wurde die 2. Kompanie ins KZ Außenlager Ebensee versetzt. Im KZ Guntramsdorf/Wiener Neudorf wurde die Bewachung durch Angehörige der Luftwaffe durchgeführt, welche im Dezember 1944 in die SS aufgenommen wurden. Neben einem SS‐Führer, 124 Unterführern und 208 Wachmännern (Stand 27.03.1945) gab es auch 8 bis- 12 SS-Hundeführer. Die sogenannte Hundestaffel hatte im Außenlager Wiener Neudorf eine Sonderstellung: Sie wurde für die Absicherung des Werkes und verschiedener Arbeitskommandos sowie bei Fluchtversuchen eingesetzt.

Schließung

Am 2. April 1945 wurde das neue Außenlager wegen der bereits herannahenden russischen Truppen geräumt. Die damals noch im Lager befindlichen Häftlinge mussten, trotz ihres schlechten körperlichen Zustandes, bei der „Evakuierung“ zu Fuß zurück ins über 180 Kilometer entfernte KZ Mauthausen marschieren. Die Lagerwache erschoss noch vor Beginn des so genannten „Evakuierungsmarsches“ am 2. April 1945 38 marschunfähige Häftlinge und trieb die übrigen 1.743 Häftlinge in 13 Tagen zurück Richtung Mauthausen. 146 Menschen wurden bis zur Ankunft in Mauthausen „auf der Flucht erschossen“ – die meisten nur, weil sie dem Tempo der Marschkolonne aufgrund ihres körperlichen Zustandes nicht mehr folgen konnten. Einige Quellen sprechen sogar von bis zu 243 Erschießungen alleine während des Todesmarsches. Am 14. April 1945 trafen die Häftlinge, die den Todesmarsch überlebten, im KZ Mauthausen ein, das am 5. Mai 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Noch knapp vor Kriegsende überstellten die Firmen Daimler‐Benz und Steyr‐Daimler‐Puch einen Großteil der Maschinen aus Wiener Neudorf z. B. nach Kirchbichl in Tirol.

Gedenken und Erinnern

1995 errichtete die Pfarre Neu-Guntramsdorf auf dem Areal des ersten Lagers ein Mahnmal. Seitdem finden an der Gedenkstätte jährlich von der Pfarre Neu-Guntramsdorf organisierte Gedenkfeiern statt. Die Termine stehen im Programm der Gedenk- und Befreiungsfeiern. Der im Oktober 2005 in Guntramsdorf gegründete Gedenkverein engagiert sich, das Wissen über das allgemein wenig bekannte KZ-Außenlager Guntramsdorf/Wiener Neudorf zu verbessern und in der Öffentlichkeit zu verankern. Durch die Initiative des Gedenkvereins wurden im Jahr 2006 Hinweistafeln zum Mahnmal an den Zufahrtsstraßen montiert und die Gedenkstätte renoviert. Des Weiteren gibt es seit 2007 eine Skulptur mit Hinweistafel, die am Kreisverkehr in der Neudorferstraße aufgestellt wurde. Im Jahr 2014 wurde vom Gedenkverein gemeinsam mit dem Zeitzeugen und Künstler Arik Brauer ein Denkmal beim „Neuen Lager Wiener Neudorf“ errichtet und die neue KZ-Gedenkstätte eröffnet.

Fotos (Aktuell, Historisch, Topografie und Luftaufnahmen)

ehem. Lagergelände
Ehem. Lagergelände mit Bunkeranlage
Gedenkstätte in der Industriestraße
Die riesigen Hallen des Flugmotorenwerkes in Wr. Neudorf
Plan der Flugmotorenwerke
Tor des KZ-Außenlager in Guntramsdorf, dahinter Baracken
Katasterplan 1:1.000; ehem. Lagergelände (vollständig im Besitz der "Eco-Plus")
Überblick 1:5.000 mit GPS-Daten, 1=ehem. Lagergelände 2=Memorial 3=Denkmal(SchülerInnenprojekt) im Kreisverkehr
KZ-Gedenkfeier 2014-Eröffnung der Gedenkstätte in Wiener Neudorf © ORF